Am 3. Dezember 2011 brachten 4.500 Menschen in Bonn ihre Haltung zum Krieg in Afghanistan zum Ausdruck: Auf einer Demonstration machten die Teilnehmenden klar, dass sie zehn Jahre nach Beginn des Afghanistankrieges auch weiterhin konsequent gegen Krieg und Besatzung auftreten.
Anlass war die Afghanistankonferenz, zu der sich am 5.12.2012 Delegationen von 90 Ländern trafen, um über die Fortführung des Afghanistan-Einsatzes zu beraten. Während offiziell von Truppenabzug und einem Ende des Krieges die Rede war, stand schon vor der Konferenz fest, dass auch über 2014 hinaus NATO-Soldat_innen in Afghanistan stationiert sein werden. Die auf der Konferenz präsentierten Erfolgsmeldungen hinsichtlich einer angeblich fortschreitenden Demokratisierung und Stabilisierung in Afghanistan entpuppen sich in der Realität als schlichte Propagandalügen. Zwischen NATO, afghanischer Regierung, regionalen Warlords und Taliban eskalierten die Konflikte seit 2007 vielmehr erneut. Die Folgen sind immer mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung.
Dementsprechend organisierte ein Bündnis u.a. aus Friedensbewegung, Linkspartei, DIDF und den linksradikalen Zusammenschlüssen Interventionistische Linke und 3A Proteste unter dem Motto „Sie reden vom Frieden – sie führen Krieg“. Auf eine Demonstration am 3.12. folgten in den darauffolgenden Tagen eine Antikriegskonferenz mit internationalen Vertreter_innen der Anti-Kriegsbewegung wie Malalai Joya und Joseph Gerson, sowie kleinere Protestaktionen am Tag der Afghanistankonferenz selbst.
Bereits am 2. Dezember wurde der Sitz der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) von der antimilitaristischen Initiative NO-CIMIC besetzt, um im Rahmen der Kampagne „war starts here“ auf die Rolle der GIZ als zentrale Planungsstelle für die erzwungene Zusammenarbeit zwischen NGOs und Militär hinzuweisen. Diese Kampagne hat zum Ziel verschiedene Stellen, Institutionen, Firmen und Orte zu markieren, zu blockieren oder zu sabotieren, von denen aus weitgehend ungemerkt Kriege organisiert werden.
Auch der Internationalistische Block auf der Demonstration gegen die Afghanistankonferenz, organisiert von der IL, 3A, Zusammen Kämpfen Duisburg, der Radikalen Linken Bochum, Linksjugend [solid] NRW und der Antikapitalistischen Aktion Bonn, knüpfte durch Aufruf und Redebeiträge an „war starts here“ an. Aus dem etwa 700 Demonstrant_innen zählenden Block heraus markierten Aktivist_innen die Bonner Niederlassung des Bauunternehmens Hochtief mit Farbbeuteln. Hochtief ist unter den großen Konzernen einer der Hauptprofiteure des Afghanistankrieges und wird aufgrund seiner herausgehobenen Stellung und der engen Zusammenarbeit mit der NATO und der afghanischen Regierung oft als „Staatsbauunternehmen“ bezeichnet.
Verschiedene Redebeiträge auf dem Lautsprecherwagen des Internationalistischen Blocks verknüpften den Protest gegen den Afghanistankrieg mit antimilitaristischer Jugendarbeit und Ideologiekritik. Den internationalistischen Charakter des Blocks betonten Reden von kurdischen und tamilischen Initiativen, der afghanischen Solidaritätspartei und eine Audiobotschaft von Mumia Abu Jamal. Auf der Auftaktkundgebung des Bündnisses redeten Vertreter_innen von DIDF, IPPNW, DFG-VK, der IL und die afghanische Parlamentarierin Malalai Joya, die sich ebenso vehement gegen imperialistische Besatzung, wie auch die reaktionäre Taliban engagiert.
Für heftige Kontroversen sorgte hingegen der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele von den Grünen, dessen Rede durch laute Zwischenrufe („Dieser Krieg – das wart ihr“, „Blut an euren Händen“) und Eierwürfe unterbrochen wurde. Befürworter_innen Ströbeles wiesen darauf hin, dass er im Unterschied zur überwältigenden Mehrheit seiner Partei immer gegen den Afghanistankrieg gestimmt habe. Tatsächlich beruhte Ströbeles Nein zum Afghanistankrieg seinerzeit auf viel Glück und einem faulen Kompromiss. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder verknüpfte 2001 die Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz mit einer Vertrauensfrage zur Fortführung der rot-grünen Koalition. Um die Macht nicht zu verlieren, beschlossen die acht Kriegsgegner_innen, dass per Losentscheid vier von ihnen bestimmt werden sollten, die gegen den Krieg stimmen würden, während die anderen vier ihre Zustimmung zu Krieg und Koalition geben sollten. Bis heute hält Ströbele das Bild von zum Teil pazifistischen Grünen aufrecht und steht als Symbol für einen angeblich noch vorhandenen pazifistischen Flügel der Kriegspartei. Tatsächlich sind konsequente KriegsgegnerInnen schon nach der Zustimmung zum Jugoslawienkrieg wütend aus der Partei ausgetreten und fragten sich, was ein Mitglied der Grünen eigentlich als Redner (!) auf einer Anti-Kriegs-Demonstration verloren hat.
Abgesehen von diesem Konflikt kann allerdings insgesamt ein verhalten positives Fazit gezogen werden. Die Teilnehmer_innenzahlen der Demonstration blieben zwar insgesamt hinter den Erwartungen zurück, der Internationalistische Block hingegen macht Hoffnung, dass die radikale Linke in Zukunft wieder stärker für konsequent antimilitaristische und internationalistische Positionen eintritt.